Diesmal wollen wir den Text „Hört ihr die Saufsignale? Zum inflationären Gebrauch des Begriffs Solidarität“ (hier als Broschüre zum Ausdrucken) zur Diskussion stellen.
Lesen wir linksradikale Veranstaltungsmagazine, dann sehen wir, dass wir uns in einer Welt unbegrenzter Solidarität befinden. Jede Woche finden Soli-Partys für jeden auch nur erdenklichen Zweck statt. Dort können dann Soli-Cocktails gekauft werden oder Soli-Shirts, bedruckt mit der Message, für welchen Zweck gerade so solidarisch gespendet wurde.
Doch wie solidarisch ist mensch wirklich beim Cocktailschlürfen?
Solidarität an und für sich ist ein Akt, bei dem Mühe auf sich genommen wird, um das zu unterstützen, was aus eigener Sicht Unterstützung benötigt oder jemandem in schwierigen Situationen beizustehen, wenn es für „richtig“ erachtet wird. Jedoch wird bei einem Drink um 3,50 € schon kräftig die Nase gerümpft, nicht zumutbar sei das. Vor allem nicht in selbstverwalteten Räumen und für den billigsten Fusel, den der Markt momentan so führt. Das stimmt auch, weil wir in Wirklichkeit nur einen Cocktail trinken wollten. Doch wollten wir wirklich einen Solicocktail haben, dann wäre der Drink eigentlich viel zu billig, die Gewinnspanne, worum es bei Solicocktails ja wohl geht, bleibt verschwindend gering.
In Wirklichkeit wollen die Konsumentinnen an der Bar die Ware „Cocktail“ kaufen und somit wird Preis mit Qualität verglichen und bei Erkenntnis fehlender Übereinstimmung, gemeckert und gefeilscht. Klarer Weise, denn aus Freiräumen sind wir moderate Preise gewohnt, schließlich verdient keineR an der Arbeit.
Wichtig ist: Beide Wünsche sind gerechtfertigt. Solikohle für verschiedenste Verwendungszwecke und billiges Besäufnis. Wer durch Leberzirrhose im mittleren Erwachsenenalter die „Bewegung“ schwächen will, kann das natürlich selbst entscheiden. Im Normalfall wird niemand an die Soli-Bar kommen, um Cocktails zu kaufen, wenn die Person keinen Cocktail trinken will. Dass sich Leute aus übergroßer Solidarität betrinken und sich ernsthaften Schaden der Solidarität wegen ergibt, sei einerseits aus Gründen der Unwahrscheinlichkeit und andererseits aus Gründen der Eigenverantwortung dahin gestellt. Dass sich Personen aus moralischer Sicht dazu genötigt fühlen, Alkohol trinken zu müssen, um den Zweck der Wahl zu unterstützen, nehmen wir an dieser Stelle nicht an.
Leider ist es jedoch extrem unüblich, dass Menschen einfach so der Cocktailbar Geld geben, um für den guten Zweck zu spenden. Denn das Spenden ist inzwischen unabdingbar mit einer Gegenleistung verbunden. Mensch kommt gar nicht mehr auf die Idee, dass es auch möglich wäre, einfach ohne Gegenleistung zu spenden. Warum auch, wenn wir zur guten Tat ein Shirt oder Gertänk abstauben können. Da wären wir wieder beim Begriff Solidarität, denn solidarisch ist es einfach nicht, eine Ware zu konsumieren. Noch dazu eine, die an der Solibar billiger ist als überall sonst. Die einzige Person, die sich hier solidarisch verhält, ist die Person hinter der Bar, welche ohne Lohn die Mühe auf sich nimmt, für „gute Zwecke“ Geld zu beschaffen.
Noch ein anderer Punkt macht deutlich, dass es nicht um Solidarität geht. Für welchen Zweck ich mich besaufe, ist aus dem Drink selbst noch gar nicht ersichtlich. Will ich mich mit gutem Gewissen besaufen, kann ich mir nicht aussuchen, ob ich meinen Durst für Prozesskosten von Tierrechtlerinnen oder für Radelständer lösche. Das heißt, die Spende ist nur im seltensten Falle ernst gemeint, nur dann, wenn der Zweck der Bar zufällig mit meinen Vorstellungen von unterstützenswerten Projekten oder Anlässen zusammen fällt. Betrinken würden sich die meisten Leute so oder so.
Jaja, es ist abgedroschen, die „in Griechenland ist alles besser“-Attitüde. Doch können wir uns von den so rebellischen Genossinnen im Süden doch einiges abschauen. Wie beispielsweise die absolute Trennung von Soligeld und Ware jeder Art. Wird Geld für einen Zweck benötigt, wird Geld gesammelt. Im Fall mancher Athener Zusammenhänge geht ein Helm durch die Runde und darin landen fast nur Geldscheine. Kein Kleingeld. Das liegt nicht daran, dass Menschen in Griechenland mehr verdienen würden, ganz im Gegenteil. Es geht um die Prioritätensetzung. Alkohol steht nämlich gleichzeitig zur Selbstbedienung verfügbar herum und in der Kassa soll auch nichts anderes landen als der Selbstkostenpreis für den gemachten Drink. Mehr zu geben ist absolut unüblich und wird eher beunruhigt beäugt als dankbar-entgegen genommen. Außerdem ist es zumindest in den anarchistischen Kreisen nicht so üblich wie in Österreich, dass sich alle Menschen so hemmungslos ansaufen, aber das ist wieder ein anderes Thema. Damit haben wir getrennt: Alkohol ist Alkohol ist Alkohol und Solispende bleibt Solispende.
Wenn wir uns anschauen, dass es auch möglich wäre, ohne den ganzen Aufwand, den so eine Cocktailbar nunmal macht, Geld für die selben Zwecke aufzutreiben, wollen wir es dann nicht einfach sein lassen? Wohl nicht. Denn wo stehen wir denn dann um halb fünf in der Früh und können so wunderbar feilschen, wenn nicht an der Solicocktailbar.
Wir stellen jeden zweiten Freitag im Monat einen Text zur Diskussion. Diese Diskussionen stellen einen Versuch dar, eine anarchistische Debatte in Gang zu setzen. Wir wollen weder Expert_innen, noch Konsument_innen. Kommt bitte vorbereitet, lest den Text und macht euch dazu Gedanken (evtl. Notizen). Wir wollen unsere Ideen und Vorstellungen teilen und diskutieren um unsere Kritik zu schärfen.